Zum Lachen in den Keller

Gott im Alltag

Vor einiger Zeit, es muss so zum Jahresbeginn 2021 (Corona-Lockdown) gewesen sein, sprach ich mit einer katholischen Kollegin. Natürlich in einem Videochat. Wir hatten uns daran gewöhnt und in den ersten Minuten sprachen wir über Privates. So, wie man es auch machen würde, wenn man sich im Büro trifft.

Im Laufe des Gesprächs stellte sie mir die Frage, was ich im letzten Jahr Besonderes getan habe, von dem ich glaube, dass es Gott gefallen hat.

Was für eine Frage

Was für eine Frage am frühen Morgen! Ich verstummte auf der Stelle. In meinem Kopf sah ich alle möglichen Geschichten und Situationen des letzten Jahres, auch die, bei denen sich mein schlechtes Gewissen meldete. Das eine oder das andere davon hätte Gott wahrscheinlich nicht ganz so gut gefallen. Ich war mir nicht sicher und immer noch stumm. In meinem Kopf geisterte die Frage, was wäre es wert gewesen, jetzt erwähnt zu werden. Und immer noch hatte ich Bilder im Kopf. Situationen in denen ich nicht ganz so freundlich war, wie sonst und die Welt hatte ich auch nicht gerettet. So ein Mist!

Es waren bis hierher nur ein paar wenige Sekunden vergangen, die mir viel länger vorkamen. Meine Kollegin wartete nicht länger und begann, ihre Frage zu beantworten: „Ich habe im letzte Sommer die Sonne genossen, Blumen im Garten betrachtet und die Vögel beobachtet.“ 

Was für eine Antwort

Es war nur ein Satz. Ich war geplättet und bekam eine Gänsehaut. Was für eine Antwort. Was für ein Statement. Es ging um nichts weniger, als um die Wahrnehmung von Gottes Schöpfung. 

Ich war überrascht, dass ihre Antwort so „einfach“ war und fragte mich, wieso ich nicht darauf gekommen bin. Sonst sage ich doch auch immer, dass Gott uns überall begegnet. In den großen Dingen genauso wie in Kleinigkeiten. Wir müssen uns nur darauf einlassen. Es muss nicht immer die ganz große weltrettende Geschichte sein. 

Vielleicht stimmt das alte Vorurteil doch? „Wir Protestanten gehen zum Lachen in den Keller.“ Haben wir Schwierigkeiten, uns angesichts der großen Probleme zu freuen? Hat Martin Luther da etwas gepflanzt? Haben die (benachbarten) Preussen ihre Prägung hinterlassen?

Groß und klein

Ich finde es gut, dass wir eine Kirche sind, die sich der großen Themen annimmt und politische Forderungen formuliert und stellt!

Jedoch nehme ich mir seit dem Gespräch mit meiner Kollegin vor, mich auch an den „Kleinigkeiten“ in Gottes Schöpfung zu erfreuen. Und Sie sind natürlich eingeladen, das zu tun. Bei allem, was uns beschäftigt, belastet und was wir zu tragen haben. Als Christ*innen wissen wir, dass wir nicht unfehlbar sind und natürlich verlieren wir die Weltrettung nicht aus den Augen. In unseren Gedanken, Gebeten und Fürbitten wird das deutlich. 

Und schließlich wird uns das erste Grün des Frühlings ein Zeichen für Gottes unglaubliche Kraft und Liebe sein, die immer bei uns ist. Freuen wir uns darauf.

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