Gebete und Meditationen – Beten in Gemeinschaft anderer Beter

Rezension zu „Aus der Liebe leben“ – Eugen Drewermann antwortet jungen Menschen

Ein Gespräch mit Heribert Körlings über Leben und Tod (Patmos – Verlag 2024)

Das Buch basiert auf Fragen junger Leute, die durch Kursivdruck hervorgehoben werden. Im Gespräch hält Drewermann die Grundmelodie seines tiefgründigen, weitgefächerten Denkens durch.

Es gelingt Heribert Körlings auf faszinierende Weise, diese Weite und Tiefe aus Drewermann herauszulocken. „Aus der Liebe leben“ bietet im besten Sinne narrative Theologie: Auf Seite 37 ff. schildert Drewermann das Drama Nietzsches, das in seinem Satz gipfelt: „Wenn es einen Gott gäbe, wie hielte ich es aus, kein Gott zu sein.“ Der Konflikt Nietzsche – Dostojewski wird auf der Seite 39 brillant formuliert, nachdem der Interviewpartner Heribert Körlings Drewermann dazu brachte, diesen Konflikt formelhaft auf den Punkt zu bringen: „Nachdem man die Menschen erst erlösungsbedürftig gemacht hat, kann man sie erlösen.“

Dabei ist die Position Drewermanns klar: „Was DOSTOJEWSKI angeht, so hat der russische Autor wie kein anderer in die Abgründe der menschlichen Seele hineingeschaut: in ihre Verlorenheit, ihre Hilfsbedürftigkeit, ihre Verzweiflung, ihre Suchtabhängigkeit, ihre Unfähigkeit, sich selbst zu akzeptieren… An dieser Stelle muss man sagen: „Lieber FRIEDRICH NIETZSCHE in Weimar, dafür hast du keine einzige Antwort. Auf all das trittst du mit Füßen, weil du alles Kranke und Schwache verachtest. Aber im Grunde verachtetest du damit doch nur dich selbst.“

Heribert Körlings erweist sich durchgehend als ein kluger, behutsamer Stichwortgeber, der den weitausholenden Eugen Drewermann immer wieder ‚einzufangen‘ versteht. Das gelingt besonders gut im ersten Teil des Buches, weil der ‚rote Faden‘ von Heribert Körlings immer im Blick behalten wird. 

Der Autor ist auf dieser Seite kein Unbekannter

Rudolf Hubert, geb. 1958, verheiratet, Referent für Caritaspastoral in der Caritas für das Erzbistum Hamburg. Von Beruf Diplom – Sozialarbeiter/Sozialpädagoge, theologisch hat Rudi Hubert ein siebenjähriges Fernstudium absolviert mit dem Abschluss der Lehrbefähigung für die Erwachsenenbildung. 

Er schreibt uns dazu über sich:

Seit meiner Jugend hat mich besonders die Theologie Karl Rahners begleitet. Sie hat mir wesentlich geholfen, in einer Gesellschaftsordnung, für die Religion von Staats wegen „Opium des Volkes“ war, einen Glauben „in intellektueller Redlichkeit“ zu leben. In der Einleitung zu Rahners Long- und Bestseller „Von der Not und dem Segen des Gebetes“ im Jahr 2004 konnte ich meine Erfahrungen mit dieser Theologie beschreiben. Vertieft habe ich diese und auch heutige Erfahrungen in Theologie und Kirche in meinem Buch „Im Geheimnis leben – Zu Leben und Glauben in der Spur Karl Rahners SJ ermutigen“, das 2013 erschien.

2018 erschien von mir das Buch „Wo alle anderen Sterne verlöschen“. (Echter-Würzburg) Von mir sind außerdem Aufsätze und Büchlein zu theologischen Ansätzen und Impulsen von Karl Rahner, Hans Urs von Balthasar und Reinhold Schneider im Laufe der Jahre erschienen. Im Rahmen des Interreligiösen Dialogs Schwerin habe ich ein kleines Gebetbüchlein mit veröffentlicht: „Gebete und Meditationen – Beten in Gemeinschaft anderer Beter.“

So wird man – wie man es von Drewermann kennt – durch die europäische Geistesgeschichte, zum Beispiel über Nietzsche, Freud, Schopenhauer. geführt.  Im hinteren Teil des Buches habe ich mitunter den Eindruck, als ob Fragen und Anregungen seines Gesprächspartners nur rhetorisch von Drewermann wahrgenommen werden, um nach einer kurzen Wiedergabe des Hinweises oder der Frage im eigenen Duktus fortzufahren. Das erzeugt dann beim Leser den Eindruck: „Ach, das kenne ich schon.“ Das betrifft sowohl die Stellung Drewermanns zur Kirche als Institution als auch politische Äußerungen, die dem Rezensenten als unausgewogen erscheinen.

Das Buch „Aus der Liebe leben“ ist aus vielerlei Gründen sehr empfehlenswert. Es ist so etwas wie eine kleine ‚Summe‘ Drewermannschen Denkens. Dabei kommt Heribert Körlings das Verdienst zu, immer wieder den Fokus zu schärfen und die Kernaussagen dieses Denkens prägnant herauszuarbeiten und zu vertiefen. „Aus der Liebe leben“ spiegelt eine große weisheitliche Lebenserfahrung wider, die heute buchstäblich not – wendig ist. Man kann diesem Werk nur möglichst viele Leser wünschen, die sich von ihm inspirieren lassen, ihren eigenen Glaubensweg zu finden – und ihn zu gehen.

Rudolf Hubert
Referent für Caritaspastoral
Schwerin, den 04.05.2024

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