Einige Texte haben es in sich. Und wie.
An einem Freitagnachmittag hatte ich zu Hause Besuch unseres Pastors aus der Kirchengemeinde St. Petri und Pauli zu Bergedorf. Wir nahmen auf dem Balkon in der Nachmittagssonne platz. In dem eineinhalbstündigen Gespräch hatten wir persönliche und theologische Themen. Ein sehr, sehr gutes Gespräch, das bei mir noch viele Tage nachwirkt.
Wir sprachen auch über anstehende und notwendige Veränderungen im Kirchspiel. Veränderungen empfinden viele Menschen zunächst als etwas störendes. Betroffene Menschen zu informieren, zu beteiligen, mitzunehmen und für die Sache zu gewinnen, ist eine Kunst. Und eine große Herausforderung.
Ganz nebenbei musste ich an eine Geschichte denken, die ich selbst vor vielen Jahren erlebt hatte. Ich erzählte Sie Pastor Baldenius.
Ich saß als Vorgesetzter mit Führungskräften meines Bereiches zusammen und stellte eine geplante Veränderung in der Organisation vor. Schnell war allen klar, dass die Anzahl der anwesenden Führungskräfte in dieser Organisation reduziert werden muss. Es wurde laut, sehr emotional und es entwickelten sich kleinere Gesprächsrunden. Mit Standard-Moderationstechniken gelang es mir nicht, die Aufmerksamkeit wieder zu gewinnen. Ich schaute dem Treiben zu.
Mein Blick fiel auf ein Buch in meiner Aktentasche. Ich nahm es heraus und schlug die Seite 120 auf. Ich kannte das Buch. Ich begann, einfach laut (zunächst sogar sehr laut) zu lesen:
Mein Gott, im Augenblick weiß ich allein nicht weiter. Es ist, als ob ich den Boden unter meinen Füßen verliere, als ob mir der Blick nach vorn verschlossen ist. Ich bin unsicher und habe Angst. Welche Schritte kann und muss ich tun? Gewohntes ist auf einmal fraglich, bislang Bewährtes trägt nicht mehr. Du, Gott, kennst meine Sorgen, meine Zweifel, meine Fragen. Ich bitte dich – um Geduld mit mir und anderen bei der Suche nach dem Weg, den ich gehen kann. – um die Kraft, die Unsicherheit im Augenblick auszuhalten, und um die Zuversicht, dass du mich und die Menschen, die mir wichtig sind, nicht fallen lässt. Lass mich darauf vertrauen, dass du mir die Zeit schenkst, die ich brauche. *
Es wurde still im Raum. Ich hatte die Aufmerksamkeit für das, was ich vorlas. Von Zeile zu Zeile wurde es stiller. Eine Stecknadel wäre auf dem Boden aufprallend, hörbar gewesen. Die Aufregung legte sich. Nach einer kurzen Pause haben wir ruhig und konstruktiv diskutiert.
Im Nachgang haben mich einige KollegInnen auf den Text und mein Vorgehen angesprochen. Selbst diejenigen, die nicht an Gott glauben, waren berührt. Das war noch Jahre später ein Thema. Erinnert Ihr Euch noch an …
Mich berührt das noch heute. Ich bin sicher, wir haben damals den Heiligen Geist gespürt. Es gibt Texte, die haben es in sich. Und wie.
- Aus dem Buch „Behüte mich auch diesen Tag – Das Gebetbuch für die ganze Familie“ / Arndt Brümmer, Heruasgeber). Der Text findet sich auch im Evabgelischen Gesangbuch.